Das Wasser kam
Wir verfolgten natürlich die schlimmen Nachrichten zu den überflutungen in Queensland, z.B. in Rockhampton und Emerald. Jedoch wägten wir uns eigentlich in Sicherheit. Es regnete zwar viel und die Creeks stiegen, aber die Einheimischen schienen alles relativ locker zu sehen und machten keine Anstalten, eventuelle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Schließlich waren überflutungen relativ normal. Jedoch kam dann alles anders und niemand hätte DAS erwartet.
Am 11.01.2011 wurde Toowoomba, da wo viele Wochenenden während unserer Zeit hier in Gatton verbrachten, durch einen Inlands-Tsunami blitzartig überflutet. Eine 2 Meter hohe Wasserwand rauschte durch das Tal. Kurz darauf erreichte die Flut auch Gatton und die umliegenden Dörfer und Gemeinden. Es herrschte Unwetter, Gewitter, Regen aus Kannen und es nahm einfach kein Ende. Wir verfolgten die Nachrichten aus dem Autoradio und konnten den Wahnsinn, der genau um uns herum geschah, kaum glauben. Wir hörten von Menschen, die – nur wenige Kilometer von uns entfernt – auf die Dächer ihrer Häuser flüchteten, leblose Körper, die in den Creeks schwamen.
Wir hörten, der Highway sei in beiden Richtungen überflutet worden. Es führte also kein Weg aus Gatton heraus.Es blieb uns nix anderes übrig als die Situation auszusitzen und abzuwarten was passiert. Wir suchten uns einen überdachten Parkplatz und standen somit einigermaßen trocken.
Ab Mittag flogen Hubschrauber des Militär über Gatton umher und evakuierten die umliegenden Dörfer. In Forest Hill, nur ca. 8km von Gatton entfernt, wurden alle 300 Einwohner aus der Luft evakuiert und nach Gatton gebracht. Es war grausam, zu sehen, wie ganze Familien mit kleinen Kindern und alten Leuten aus den riesigen Maschinen stiegen und ihre Häuser und alles was sie haben, hinter sich lassen mussten.
Aus dem Radio erfuhren wir das auch Ipswich (30km östlich von Gatton in Richtung Brisbane) überflutet wurde und kurze Zeit später empfingen wir nicht mal mehr den lokalen Radiosender. Es schüttete immernoch wie aus Kannen und es schien einfach kein Ende zunehmen. Es herrschte Weltuntergangs- stimmung, Feuerwehrsirenen, Hubschrauber, Gewitter, Dunkelheit, Regen, Sturm und Horrornachrichten aus dem Radio. Es war grausam und machte Angst, denn wir waren tatsächlich mittendrin eingeschlossen.
Am späten Nachmittag hörte zu mindest der heftige Regen ein wenig auf. Wir fuhren ein Stückchen durch die Stadt und schauten uns die Ausmaße an. Da Gatton jedoch (zum Glück) ein bisschen höher liegt, hielten sich die Schäden, im Vergleich zu den großen Verlusten in den umliegenden Dörfern, in Grenzen.
Auch das Wasser ging erstaunlich schnell zurück. Am nächsten Morgen, 12.01.11, die Sonne schien hin und wieder durch die Wolken, kein Regen … als wäre nie etwas passiert, fuhren wir in Richtung unserer Farm. Da waren die Schäden schon um einiges höher. Weggerissene Häuser, weggeschwemmte Autos, Straßen, von denen der Asphalt gespühlt wurde, kaputte Brücken und vieles mehr.
Wir versuchten immer mal wieder in Richtung Farm zu fahren, aber die letzte Brücke kurz vorher war nicht mehr befahrbar und deshalb kehrten wir immer wieder um. Wir versuchten telefonisch jemanden von unserer Farm zu erreichen, was jedoch ohne Erfolg blieb. Wir hatten keine Zweifel, dass dort auch alles weggespült wurde. Die Highways waren immernoch geschlossen und Hubschrauber kreisten weiterhin über Gatton. Im Supermarkt gab es schon kein Brot und keine Milch mehr und an den Tankstellen wurden die Schlangen immer länger. Wir überlegten also was wir tun sollten …
Flucht nach Ipswich
Am Mittwochnachmittag erfuhren wir, dass der Highway bis Ipswich wieder offen war und so entschlossen wir uns, in diese größere Stadt zu fahren, da wir nicht wussten wie lange diese Situation in Gatton so bleibt. Ipswich war natürlich auch von der Flut betroffen, aber wir sprachen mit einem Polizisten und er erklärte uns, in welchem Stadtteil kein Wasser war und wir sicher wären. Also gings auf nach Ipswich, auch in der Hoffnung, dort einen unbeschadeten McDonalds zu finden, in welchen wir Zugang zum Internet haben.
Wir fanden es trotz aller Umstände unglaublich schade Gatton einfach so zu verlassen, ohne noch einmal mit jemandem von unserer Farm gesprochen zu haben. Irgendwie hatten wir uns den Abschied nach dem 2-monatigen „Arbeitsverhältniss“ anders vorgestellt, aber auf was sollten wir nun noch warten? Wir hofften, dass wir in den nächsten Tagen jemanden ans Telefon bekommen sowie den Papierkram per Post erledigen könnten und unser letzter ausstehender Check überwiesen werden kann.
In Ipswich angekommen, gingen wir eine Runde spazieren und sahen Häuser die bis unters Dach im Wasser standen und Menschen am Rand, die sich darüber unterhielten, welches Haus das ihre ist. Es waren grausame Bilder. Wir erfuhren aber auch, das der Wasserpegal bereits wieder zu sinken begann. Am nächsten Morgen, die Sonne schien wieder, von Regen und Unwetter keine Spur, war das Wasser fast überall wieder weg und die Menschen begannen bereits mit den Aufräumarbeiten.
Ein würdiger Abschied
Wir frühstückten gerade, als unser Telefon klingelte. Daran war dran und fragte, ob wir noch in der Nähe seien und arbeiten kommen könnten.
Es war unglaublich, aber der Farm ist nix passiert und das obwohl sie direkt von Creeks umgeben ist. Ein paar Felder sind abgesoffen, aber die Lager, das Shed, die Maschinen etc. und vor allem die „Farm-Familie“ und deren Häuser, alles unversehrt.
Wir entschlossen uns dazu, nach Gatton zurück zu fahren und am heutigen Donnerstag sowie am Freitag nochmal zu arbeiten. Auch den Geld- und Papierkram konnten wir so noch problemlos erledigen.
Unser letzter Arbeitstag am Freitag war sogar nochmal ein bisschen spektakuklär. Anthony, der Chef der Farm, wollte unbedingt seine Tomatenernte retten. Die Straße die zum Tomatenfeld führt, wurde allerdings vom Creek weggespült. Mit dem Traktor war kein durchkommen und so entstand der Plan, zu Fuß auf die andere Seite durch den Creek zu gehen und über eine Menschenkette die Tomatenkisten durchzureichen. Das war eine sehr witzige Aktion, da sogar Grant, der Gabelstaplerfahrer, Boss Anthony und Russel, der, der normalerweise nur den Bürokram erledigt, mitgemacht haben und bis zu den Oberschenkeln durch das Wasser wateten.
Die Laune unter allen war überraschend gut und irgendwie empfanden wir diesen letzten Tag für uns als gelungenen Abschluss. Und schließlich hatten wir dann auch unseren richtigen Abschied von der Farm und all den lieben Leuten (v.l.n.r.):
- Robert Bauer (Bauer sen.) und seine Enkel
- Anthony Bauer (Bauer jun.)
- Grant Sippel-Casey, von dem man sagt, er habe Ähnlichkeit mit George Clooney.
Da die Tankstellen in Gatton bereits kein Sprit mehr hatten, wurden wir von der Farm freundlicherweise mit Diesel versorgt.
Natürlich wurden dabei sogar ein paar Tränchen verdrückt. Es war eine sehr schöne, wenn auch durchaus anstrengende Zeit, mit tollen Erlebnissen und Erfahrungen. Wir haben tolle Menschen kennengelernt und eine ganz andere Art zu leben. Es wird uns immer in Erinnerung bleiben!
Nach nun 11 Wochen sagen wir „Goodbye Gatton“ und sind nun endlich wieder richtig auf Tour und darauf freuen wir uns sehr!