Nach wie vor auf dem Weg zur Südküste, fuhren wir am frühen Abend, mitten im Nirgendwo, durch eine kleine Gemeinde namens Wulgulmerang. Es war nicht viel los dort, bis wir an einem auffälligeren Grundstück vorbeikamen. Es sah ziemlich wüst aus, ein bisschen wie Trödelmarkt, nur noch verrückter. Wir hielten kurz an, weil Tim ein Foto machen wollte. Wir sahen, dass es eine „Seldom Seen Service Station“ ist und das dort unter anderem Sprit, Eis, Getränke usw. verkauft wird oder werden sollte, jedoch sah es nicht wirklich danach aus.
Tim wurde dann vom Besitzer des Grundstückes herangerufen. Dave, so stellte er sich vor, hatte an diesem frühen Abend scheinbar schon ziemlich einen im Tee, aber er war sehr nett und hatte viel zu erzählen. Durch seinen leicht erhöhten Alkoholpegel erzählte er Dinge auch mehrmals und fragte öfter dieselben Sachen. Er konnte auch ein wenig deutsch und jeder zweite Satz lautete: „Kein Problem!“.
Dave erzählte uns, das es im Jahr 2003 ein Buschfeuer in der Gegend gegeben hat und die kleine Gemeinde „Wulgulmerang“ völlig im Feuer eingeschlossen war und niemand von ihnen wusste. Es hatte Tage gedauert bis ihnen geholfen wurde und auch beim Wiederaufbau ihrer Häuser standen sie fast völlig alleine da. Etwas makaber an der Stelle ist Dave´s vollständiger Name, David WOODBURN … David „Holzbrand“.
Dave zeigte uns auch seine vielen Tiere, unter anderem Emus, die wir fütterten. Sein Hund Bryan klebte die ganze Zeit an Doreen und wollte getätschelt werden. Er war sooo lieb.
Dann fragte Dave, ob ich nicht mal Lust hätte, ein Kängurubaby zu füttern. Das gibts doch nicht, dachten wir erst. Was hat dieser verrückte Kautz auf diesem Chaos-Grundstück noch alles? Fahrräder die kunstvoll im Baum aufgehängt sind, Auto´s ohne Ende von Schrott bis kultig, inaktive Zapfsäulen, Beschilderungen scheinbar aus ganz Australien, Tiere und nun noch ein Baby-Känguru ..? Es wurde bald dunkel und wir befanden uns immernoch mitten im Nichts, eigentlich wollten wir ja noch bis zur Küste. Naja egal, sagten wir uns, das Baby müssen wir uns nun auch noch angucken, kann ja nicht so lange dauern. Wir folgten Dave und er steuerte auf ein kleines Gehege zu, in welchen eine Einkaufstasche hang. Als wir näher kamen, sah ich schon wie zwei Ohren hervorlugten. Sofort war ich hin und weg. Dave nam den Beutel aus dem Gehege, drückte ihn mir in die Arme und verschwand. Da stand ich, mit nem Känguru im Arm, das mich anguckt und scheinbar schon mächtig hungrig ist. Tim hat tausend Fotos gemacht und ich hab mich nicht mehr eingekriegt, meine Stimme hat sich praktisch fast überschlagen: „Das ist soooo süß!“.
Dann kam Dave mit einem kleinen Topf voll heißem Wasser und einer Milchflasche darin wieder. Tim musste auf seinem Arm testen, ob die Milch warm genug ist. Als ob er wüsste, wie warm sie sein muss … 🙂
Anschließend bekam das kleine Kängurumädchen, welches übrigens Ruby-Rose heisst, ihre Milch. Es war sooo niedlich!
Dave erzählte uns, das er Ruby-Rose´s Mutter tot am Straßenrand gefunden hatte, wahrscheinlich von einem Auto angefahren. Das Kleine in ihrem Beutel war noch am Leben und so nahm er sie zu sich und zieht sie auf.
Als die kleine Ruby-Rose ausgetrunken hatte, mussten wir uns langsam wieder trennen. Das war gar nicht so einfach, Dave bekommt scheinbar nicht so oft Besuch und immer wieder hatte er etwas zu erzählen. Er wünschte sich noch, das wir ihm ein Foto von mir mit Ruby-Rose im Arm, zuschicken. Sicher werden wir das machen, aber ob er sich noch an uns erinnern wird, wenn er das Foto bekommt?
Schließlich versorgte Dave uns noch mit zahlreichen Straßenkarten und Kühlschrankwerbemagneten für seine „Seldom Seen Service Station“ und verabschiedete sich schließlich von uns, von mir mit den Worten: „You´re the most beautiful woman!“ Haha, dabei sah ich so fertig aus von unserer Wanderung 🙂
Dann gings (endlich) weiter. Jedoch nur bis Buchan, das nächst größere Dorf, wo wir schließlich die Nacht verbrachten … umgeben von mampfenden Kängurus.