Tag 1 – 19.05.2011
Mittags in Shark Bay gestartet kamen wir nach einer sehr sehr warmen Etappe am späten nachmittag in Carnarvon an. Wir hatte große Erwartungen an den kleinen Ort, denn das 6000-Einwohner-Städtchen ist so etwas wie das Zentrum des Obst- und Gemüseanbaus in Western Australia und schon auf den ersten Kilometern nach dem Ortseingang passierten wir so einige Farmen. Allerdings war der Tag schon am Ausklingen und so verschoben wir den Beginn unserer Jobsuche auf den nächsten Tag.
Wir füllten nur noch schnell unsere Vorräte auf und machten uns dann auf die Suche nach einem Schlafplatz. Da unsere Karte von Carnarvon nicht sehr detailiert war, aktivierten wir die Navi und suchten uns einen Weg in Richtung Meer. Die Besiedlung lichtete sich immer mehr und nach einer Weile bogen wir einer der Hauptstraßen ab und kamen so auf eine nichtasphaltierte Straße. Es schien alles normal und so fuhren wir, das Ziel in der Dämmerung praktisch vor Augen, mit etwa 60 bis 70km/h über die anfangs sehr gut preparierte Erdpiste. Ohne Vorankündigung oder irgendeinen ersichtlichen Grund wurde TiDo immer langsamer und steuerte wie von Geisterhand nach links. Unterbewusstes Gegenlenken und mehr Gas änderten an dem Verhalten nichts und so kamen wir nach etwa 100m am linken Fahrbahnrand zum stehen. Tim versuchte ein oder zweimal kurz vorwärts bzw. rückwärts zu fahren, jedoch ohne Erfolg. Tim stieg aus und lockte die vorderen Radnaben. Das ist für den Vierradbetrieb erforderlich, den wir aber auf normalen Straßen nicht aktiviert haben. Dabei versank er bis weit über die Knöchel im Schlamm und so offenbarte sich die Urache unseres bis hierher noch überschaubaren Schla(m)massels.
Obwohl die Straße tagsüber durch die Sonne oberflächlich angetrocknet war, ist sie unter dieser dünnen Kruste reine Pampe. Bei genauerem hinsehen war auch das Brachland ringsrum sehr feucht und an vielen Stellen stand sogar das Wasser.
Mittlerweile wurde es langsam aber sicher dunkel. Wir hatten nun noch Hoffnung mit vier angetriebenen Rädern weiter zu kommen, aber nach einigen Versuchen mit anschieben, rausschaukeln und freischaufeln schwand diese schnell wieder. Wenn alle Räder durchdrehen, dann steckt man fest, absolut fest.
Keine Frage, wir brauchten Hilfe! Aber woher bekommen, hier, um diese Uhrzeit?? In nichteinmal einer halben Stunde würde es stockdunkel sein und dass hier vor dem nächsten Morgen jemand vorbeikommen würde, war sehr unwahrscheinlich. Wir schauten uns also um und sahen ein Haus, in dem Licht zu brennen schien. Zugegeben, es war das einzige Haus weit und breit und so stand fest, einer von uns musste hinlaufen. Wir entschieden uns dafür, Tim weiter schaufeln und versuchen zu lassen und damit er da ist, falls doch jemand vorbeikommen sollte. Ich, Doreen, lief also schließlich los.
Als ich näher auf das Haus zukam, war es bereits dunkel. Auf dem Weg dahin bemerkte ich, das ringsum überall Wasser war und auch das laufen war mühsam, da ich immer wieder im Schlamm versank. Obwohl etwas Licht zu sehen war, hatte ich fast keine Hoffnung, das zur Zeit überhaupt jemand in dem Haus lebt und wenn, dann stecken sie wahrscheinlich selbst fest. Als ich näher kam, standen überall Schilder mit den Aufschriften „No Entry“ und „Keep out“. Mir war ziemlich mulmig zu mute und ich hatte Angst, das mich gleich ein kleffender Hund anfallen wird. Nicht das ich Angst vor Hunden hätte, aber wenn jemand Fremdes im Dunkeln ein Grundstück betritt, sollte ein anständiger Hund dieses ja verteidigen. Wie auch immer, mir blieb nix anderes übrig, als es zu probieren.
Es kam aber kein Hund und als ich noch näher heran kam, sah ich durch ein Fenster eine Frau. Das war erstmal ein bisschen erleichternd, andererseits aber auch nicht, denn von einer Frau konnte ich mir wohl nicht allzu viel Hilfe erwarten können … dachte ich.
Ich rief also vorsichtig „Hello???“ und klopfte an die Tür. Das heisst, es war keine Tür, es war eher ein riesiges Rolltor und beim genaueren Hinsehen, war es eigentlich auch kein richtiges Haus. Sofort wurde das Rolltor aufgemacht und ein Mann und die Frau die ich durchs Fenster bereits sah, schauten mich – von oben bis unten voll mit Schlamm – verwundert an. Ich erzählte das wir auf der anderen Straße mit dem Auto im Schlamm stecken würden und wohl etwas Hilfe benötigen könnten.
Es wurde gar nicht lange gefackelt und es ging los. Es wurden Schaufel, Seil sowie Taschenlampe geschnappt und dann gings ab ins Auto. Die Frau, Annie, fuhr mit mir los und der Mann, Andrew, blieb zu Hause und sollte sich weiter um das Abendbrot kümmern. Ich war irritiert, aber sie schien zu wissen was sie macht.
Als wir mit ihrem Auto auf dem Weg zu unserem waren, erzählte sie mir, das es hier im Dezember, ähnlich wie in Queensland, Überflutungen gegeben hatte. Es wurde entschieden, das die Felder geflutet werden sollten, bevor die Stadt überschwemmt würde. Das viele Wasser hat dann jede Menge Erde abgetragen, aber vor allem aufgeweicht bzw. den Grundwasserspiegel angehoben. Wenn nun im Meer die Gezeiten-Flut kommt, hebt sich entsprechend auch das Grundwasser und setzt somit die Felder und Straßen der Gegend unter Wasser.
Prima, das wussten wir nicht. Es schien am Anfang so, als ob es den Tag zuvor einfach nur ein bisschen geregnet hatte. Aber nein, dieses Schauspielt folgt einfach den Gezeiten, jeden Tag aufs Neue.
Bei Tim hatte sich in der Zwischenzeit nicht allzu viel getan. Er hatte erfolglos gebudelt und probiert. Es war auch niemand vorbei gekommen. Er hatte uns schon lange kommen hören. Da Annie und ich selbst sehr hochtourig und langsam durch Wasser und Schlamm fahren mussten, dachte er zunächst, wir kommen mit einer Art Bulldozer. Aber als wir bei ihm ankamen, war er wohl auch mit dem LandCruiser sehr zufrieden.
Annie und Tim stellten sich kurz vor, dann tappten wir alle im Dunkeln barfuss durch den Schlamm, schauten uns die ganze Misere mit der Taschenlampe an und überlegten hin und her. Wir schaufelten so gut es ging Schlamm von den Rädern weg und legten Büsche unter die Räder. Annie musste nun versuchen, ohne selbst stecken zu bleiben, nah genug an Tido heran zu fahren, um die Abschleppgurte befestigen zu können. Soweit so gut. Auf Kommando starteten wir den Versuch aber es half nix. Tido bewegte sich gerade mal einen Meter zurück, während Annie´s Auto auf dem Schlamm hin und her „schwamm“.
Schließlich meinte Annie, dass es jetzt nix mehr bringen würde. Sie bot uns an, bei Andrew und ihr zu übernachten und es am Morgen nochmal zu probieren. Da sei dann Ebbe, der Boden etwas trockener und die Chancen deshalb deutlich besser.
Das Auto einfach so am Straßenrand zurückzulassen, war mir gar nicht geheuer. Ich hatte Angst, das jemand einbrechen könnte, schließlich konnten wir auch nicht all unsere Sachen mitnehmen. Andrew beruhigte uns aber später, niemand würde momentan Nachts in dieser Gegend unterwegs sein. Irgendwie logisch! 🙂
Wieder im Haus angekommen, wurde direkt der Tisch für 4 Personen zum Abendbrot gedeckt und uns unser Bett gezeigt. Wir quatschten noch etwas und Annie erzählte uns, dass sie früher Tourleiterin auf der Gibb River Road in den „Kimberley´s“ war und dort mit größeren 4WD-Bussen durch das Gelände gefahren ist. Nun war uns auch klar, warum sie mit Doreen mitgekommen war, und nicht ihr Mann.
Übrigens gab es hier doch einen Hund. Es heißt Stitch, geht mir bis zum Oberschenkel, ist 9 Jahre alt und fast blind. Natürlich wurde der sofort von mir ins Herz geschlossen.
Tag 2 – 20.05.2011
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Am nächsten Morgen, direkt als es hell geworden war, tranken wir schnell einen Kaffee und machten uns auf den Weg zum TiDo. Heute kam Andrew mit und er hatte auf dem Hinweg viel Spaß auf seinem Quad. Erneut schaufelten wir Schlamm von den Rädern weg und legten mitgebrachte Holzbretter unter die Räder, der Abschleppgurt wurde wieder befestigt. Andrew gab das Kommando, annie und Tim gaben daraufhin Stoff. Beide Autos bewegten sich. Auch wenn es aus TiDo stark rußte, da Tim etwas zuviel Gas gab, sah es sehr gut. Immerhin dauerte es etwa 80m, bis es möglich war, TiDo aus dem Schalmmstreifen heraus zu lenken, aber … es war geschafft!
Ich zitterte und heulte, so aufgeregt und glücklich war ich, als endlich alles wieder gut und unsere geliebte Bude aus dem Schlamm berfreit war. Vom Schlamm befreit war er aber noch lange nicht, denn bis auf Kniehöhe war alles mit nassem Dreck überzogen. Genau wie wir auch 🙂
Wir fuhren zurück auf das Grundstück der beiden, wo Andrew das Auto ordentlich abspritzte. Er meinte, dass wir so, wie TiDo vorher aussah, aus jeder Waschanlage rausgeworfen worden wären.
Dann endlich durften wir duschen und unsere Kleidung waschen. Jedoch begann dann aufgrund der Flut das Wasser bereits wieder zu steigen, so das wir heute nicht mehr in Richtung Stadt fahren konnten. Annie und Andrew bestanden also darauf, uns eine weitere Nacht Unterschlupf zu gewähren und uns zu bekochen.
Wir verbrachten den Tag also bei den beiden und konnten nun in Ruhe einen genaueren Blick auf das … ähm … Objekt werfen, in dem A&A wohnen. Wohn- und Esszimmer waren in einer Ecke einer großen Wellblechhalle eingerichtet, in der sonst nur Rohre und irgendwelche Pumpen und Ersatzteile gelagert wurde. Die Wohnungstür war das angesprochene Rolltor, an das Doreen am abend zuvor noch geklopft hatte. Küche und Bad sind in einem an die Halle angrenzenden Flachbau untergebracht und unsere beiden Betten stehen in einem ehemaligen Kühlraum. A&A selbst schlafen in einem Wohnwagen, der wiederum direkt nebem dem Flachbau geparkt war.
Wir fragten natürlich nach, was das alles denn mal gewesen sei. Die beiden führten uns herum und erklärten ausführlichst: Es handelt sich um eine ehemalige Perlenfarm, die nach deren Schließung vor wenigen Jahren zu einer Fischzucht umfunktioniert wurde. Seit der Flut im letzten Dezember allerdings ist diese nicht mehr funktionstüchtig, da viele der Zuchtbecken zerstört oder überflutet worden waren. Andrew erklärte, dass er Wassertechniker sei und die beiden eigentlich nur hier angestellt seien, um dafür zu sorgen, dass die technischen Geräte usw. in betriebsbereitem Zustand bleiben. Wenn sich dann die allgemeine Lage gebessert hat, sollen hier wohl wieder Fische gezüchtet werden.
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Es war sehr interessant und am Ende des Rundgangs zeigten uns die beiden ein noch intaktes Becken, in dem zwei größeren Fisch lebten. Es seien die letzten beiden verbliebenen der Fischzucht.
Den abend verbrachten wir gemütlich mit quatschen, fernsehen und schreiben dieses Blogs. Doreen genoss vor allem den richtigen Kaffee 😉
Tag 3 – 21.05.2011
Am morgen nutzten wir nochmal die Möglichkeit zu duschen. Danach hieß es zügig packen und Abschied nehmen von Annie und Andrew, unseren Rettern sozuagen, denn wir musste ja dass Stück „Straße“ hinter uns bringen, bevor die Flut wiederkommt. Bei den etwas überschaubareren Bedingungen meisterten wir den Weg nun souverän.
Wir sind den beiden sehr dankbar für ihre Hilfe und freuten uns letztendlich über die gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke. Vielen lieben Dank!