Zielgerade
Der letzte Tag des Inka-Trails stand an und, wie angekündigt, begann er sehr früh. Etwa 2:30 Uhr klingelte der Alarm des Handys und auch das offizielle Wecken durch einen der Porter ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Im Halbschlaf wurden noch einmal alle persönlichen Dinge im Zelt zusammengesucht und verpackt, um danach das Zelt zum Abbau freizugeben. Heute ließen die Träger niemanden auch nur 5 Minuten länger schlummern und so waren alle ungewohnt pünktlich beim Frühstück.
Es war noch immer stockdunkel, nur die Stirnlampen aller umherlaufenden erhellten den Busch, während Edy und Pepe alle Gäste nach dem Essen um sich versammelten. Im Gänsemarsch stiefelten wir hinter den beiden her, zunächst noch direkt vorbei an benachbarten Camps anderer Gruppen, bevor das Momentum nach gerade mal 200m eine schnelles Ende fand. Wie an den Tagen zuvor musste ein Kontrollpunkt passiert werden, der allerdings erst mit Sonnenaufgang gegen 5:00 Uhr öffnen würde. Bis dahin hieß es etwa eine Stunde Schlange stehen. In dieser Zeit zeigte sich erneut die gute Stimmung in unserer Wandergesellschaft, denn wir verkürzten uns die Wartezeit mit Musik. Ein Blutooth-Lautsprecher, ein Handy und die richtigen Songs brachten uns zum Mitsingen und Rumhotten, wovon sich auch die anderen wartenden Gruppen anstecken ließen. Am Ende war es eine nette kleine Feier am frühen Morgen mit etwa 100 internationalen Beteiligten im tiefsten peruanischen Andenhochland. Einmalig!
Der Kontrollpunkt nahm pünktlich seinen Dienst auf. Nach ihm lagen nur noch knappe 2 Stunden weitestgehend flacher Pfad vor uns. Als es so langsam heller wurde und immer mehr Gegend durch die Äste zu erkennen war, ließ sich auch endlich die Wetterlage etwas besser einschätzen. Die Täler und Gipfel waren in Wolken gehüllt, blauer Himmer oder gar Sonne schienen im Augenblick unwahrscheinlich. Schade, denn recht genau um 7:00 Uhr erreichten wir das sogenannten Sonnentor, durch das zur Sommersonnenwende das erste Licht des Tages direkt in den Sonnentempel der berühmten Inkastadt fällt. Bei uns zogen eher die ersten Nebelschwaden des Tages umher. Glücklicherweise war alles in Bewegung und eine viertel Stunde später konnten wir endlich die ersten Blicke auf die große Inkastadt werfen. Es war noch recht weit weg, aber als sich dann scheinbar doch ein paar Sonnenstrahlen dahin verirrten, schon beeindruckend.
Bergab und mit dem Ziel nun ständig vor Augen waren die letzten Meter schnell absolviert und so erreichten wir alle gesund eine der bekanntest Ruinenstädte der Welt … Machu Picchu .
Endlich da, viele andere aber auch
Bevor Edy uns auf eine geführte Tour durch das Areal mitnehmen würde, bekamen wir ein paar Minuten Zeit für die ersten Bilder. Wie von den Guids gebeten, entfernten wir uns nicht zu weit von der Gruppe.
Doreen und ich standen nun zum ersten Mal ohne die Gruppe an einer leicht exponierten Stelle, schauten über die Stadt und horchten in uns hinein. Keine Frage, die Aussicht war toll und das Wissen, hier zu sein, war durch aus befriedigend. Im Kopf stimmte also soweit alles, was aber war mit dem Herzen? Nun, auch für uns überraschend war das Gefühl etwas weniger überwältigend als erwartet, gar nicht vergleichbar mit z.B. dem Erreichen der Rainbow Mountains wenige Tage zuvor. Wir gingen noch einmal in uns und fanden nur halbe Erkläungen. Zum einen mag es daran liegen, dass man diesen Ausblick, dieses Bild von Machu Picchu schon tausendfach in Zeitschriften und Dokumentationen gesehen hatte und es darum bereits als eine Art Erinnerung existierte. Viel wahrscheinlicher aber ist die Tatsache, dass wir uns gerade zwischen hunderten, vielleicht sogar tausenden von Tagestouristen befanden, welche die Situation bzw. den Moment einfach etwas zu nichte machen.
Dreieinhalb Tage waren wir unterwegs hierher, ungeduscht, in mittlerweile leicht müffelnden Klamotten und standen jetzt hier zwischen Frauen in hochhackigen Schuhen und Cashmerepullovern sowie deren Männern in Sakko und edlen Jeans, die Gucci-Handtaschen der Frauen haltend. Falls es jetzt so klingt, als würde uns die Stadt nicht gefallen, stimmt das ganz und gar nicht. Hatten wir uns den Moment anders vorgestellt? Ja!
Zurück bei der Gruppe schossen die Guids die letzten offiziellen Gruppenfotos vor der halbwegs klaren Kulisse der Ruinen, bevor es nun auf die etwa eineinhalbstündige Führung durchs Gelände ging.
Vor allem Edy erzählte alle 50m unermüdlich und herzlich von der Geschichte seiner entfernten Vorfahren, wobei wir alle aber nur noch wenig aufnahmefähig waren. Inzwischen waren seit dem Aufstehen schon knapp 6 Stunden vergangen und beim Sitzen machte sich Müdigkeit breit. Auf dem zentralen Platz des Geländes angekommen begann es dann langsam aber sicher an heftiger zu regnen. Zwar gab es hier genügend Gebäude, zum Unterstellen waren die aber kaum geeignet, denn allen fehlte eins, nämlich das Dach. Da wir, im Glauben an das gute Wetter, die Funktionskleidung in den Rucksäcken am Eingang gelassen hatten, war die Komfortzone schnell verlassen. Edy spulte nun die letzten Sätze noch herunter und entließ uns in den frei verfügbaren Teil des Tages hier.
Mit allen anderen Mitgliedern der Wandergruppe verließen wir zunächst das Areal. Außer uns vieren aber stiegen alle anderen in einen der Busse in Richtung Tal und ließen somit Machu Picchu ein für allemal hinter sich. Für uns vier stand aber schnell fest, dass wir die Hoffnung auf besseres Wetter nicht so schnell aufgeben würden, schon gar nicht schon vor dem Mittag. Am Eingang nahmen wir im überdachten und deshalb auch überfüllten Imbiss Platz und warteten in Ruhe. Es dauerte nicht einmal eine dreiviertel Stunde bis der Regen nachließ und schließlich ganz aufhörte. Die Wolken zogen weiter und gaben hier und da sogar den ein oder anderen Fleck blauen Himmel frei. Das war unsere Chance …
Machu Picchu
Während Stef und Robert sich auf den unteren Teil der Stadt konzentrierten, wollten Doreen und ich etwas höher hinaus um dennoch eine der typischen Draufsichten zu finden und festzuhalten. Dank des Regens waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ganz sooo viele Menschen unterwegs, viele scheuten aber auch die Stufen hinauf zu den oberen Terassen. Für diese wurde man dann jedoch fürstlich entlohnt, den der Ausblick war toll und dank der Sonne stand nun auch für uns alles im rechten Licht. Wir verbrachten eine angenehm ruhige Zeit hier oben und erarbeiteten uns ein mehr als versöhnliches Ende der Unternehmung Machu Picchu …
Gruppenabschied
Bereits auf dem Weg zurück zu den Bussen zog das Tal erneut zu. Während wir auf einen der nächsten warteten begann es wie aus Eimern zu schütten. Wiedereinmal hatten wir alles ziemlich gut abgepasst, hofften nur, dass auch Stef und Robert zufrieden und vor allem trocken ins Tal kommen würden.
Etwa 30 Minuten dauerte die Fahrt entlang der vielen Spitzkehren. Endstation war der kleiner Ort Aguas Calientes , was im deutschen „heißes Wasser“ bedeutet. Hier begaben wir uns zum verabredeten Treffpunkt, einem gemütlichen italienischen Restaurant. Hier verbrachten wir essend und trinkend die letzten Stunden mit unseren Mitläufern, die nicht unbeteiligt daran waren, dass diese vier Tage zu dem geworden waren, was sie sind: ein unvergessliches Erlebnis. Und obwohl nichts geringeres als Machu Picchu das Ziel war, kommen wir auch hier nicht wirklich drumherum, zu sagen, dass wieder einmal der Weg das Ziel war.
Edy verabschiedete sich bereits am früheren Nachmittag von alle anwesenden, während Pepe erst später zu uns stieß. Es folgte hier nun der Abschied von denjenigen, die noch ein paar Tage hier im Ort verbringen würden. Alle anderen führte Pepe geschlossen zum nahegelegenen Bahnhof. Mit einem der blauen Züge traten wir die bequeme Rückfahrt in Richtung Cusco an. Den letzten Teil des Weges absolvierten wir erneut mit dem Bus, der uns müde, aber wohlbehalten und glücklich in der Inkahaupstadt absetzte. Die herzlichen Verabschiedungen von den verbliebenen Wandergefährten rahmten das schöne Bild einer unvergesslichen Wanderung!