Stadt Land Meer
28. März 2016 von TiDo

Tal des Tabaks

Ob es an den Getränken lag, oder auch nicht, wir hatten eine erholsame Nacht und nach dem erneut sehr guten Frühstück waren wir bereit für Neues.
Da das Vallee de Vinales nicht nur sehenswert wegen der steinernen Hügel, sondern vor allem auch bekannt für seinen Tabak ist, wollten wir auf jeden Fall eine Runde gehen und versuchen, uns anzusehen, wo der Rohstoff für so eine kubanische Zigarre denn herkommt.

Ein paar Kilometer bis zum Beginn des eigentlichen Tals fuhren wir noch mit dem Auto, stellten es dann aber ab und liefen los. Es soll hier erwähnt sein, dass zahlreich vor allem Reittouren durch das Tal angeboten werden, allerdings sind wir dann doch eher Freunde vom Gehen und Stehen wann und wo wir das möchten und so haben wir uns auf eigene Faust auf den Weg gemacht. „Der Frühe Gockel weckt die Leute“, entsprechend waren Doreen und ich noch weitestgehend die einzigen Touristen auf den Wegen und Pfaden. Nichtsdestotrotz brannte die Sonne immens und brachte uns ganz schön ins Schwitzen.
Zunächst genossen wir den Ausblick von einer kleinen Anhöhe, auf der wir auch zum ersten mal sahen, wie eine Ananas wächst. Ich muss gestehen, dass ich mir statt eines eher kleinen, stacheligen und agavenähnliches Gewächses eher einen Baum, wie z.B. bei der Banane, vorgestellt hatte. Naja, hauptsache es schmeckt!
Vor dem schönen Panorama der Hügelketten erstreckten sich größere und kleinere Tabakfelder, einige bereits bewirtschaftet, andere eher verwildert. Mehr als klischeehaft pflügte ein Zigarre rauchender Kubaner auf seinem von zwei Ochsen gezogenen, hölzernen Gerät langsam aber stetig seinen Acker. Bei dieser Szene dachte man dann sofort an seine Gemahlin, die den ganzen Tag in der kleinen bescheidenen Behausung nichts anderes zu tun hat, als eine fuß gerollte Zigarre nach der anderen zu fertigen. Der Begriff Handarbeit wäre da nicht wirklich angebracht oder?

Nicht mehr weit vom Auto nutzten wir dann noch die Gelegenheit, unsere Nasen in einen der fast neben jedem Feld stehenden Schuppen zu stecken. Hier werden die geernteten Tabakblätter zum Trocknen aufgehängt. Von aromatischem Duft aber fehlte jede Spur, es roch eher alt und muffig. Vielleicht haben wir aber auch einfach keine Ahnung!?

Ostwärts

Da für uns hier im Westen zu diesem Zeitpunkt erstmal nichts mehr auf dem Zettel stand, machten wir uns nach der Wanderung so langsam in Richtung Ost auf. Wohin bzw. wie weit genau, wußten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn allzu große Entfernungen zu planen ist wenig sinnvoll, da man nie weiß, welche Straßen man vorfindet und wie gut man darauf vorankommt.
Das erste Stück allerdings kannten wir zumindest auf der einen Seite des Mittelstreifens schon, denn es ging zunächst wieder auf die Autopista.

Schneller als gedacht erreichten wir die Außenbezirke von Havanna und damit auch das Ende der westlichen Autobahn. Klingt erstmal wenig spektakulär, wenn ich allerdings sage „Ende der Autobahn“, dann meine ich das im sackgassenartigen Sinn. Eine scheinbar x beliebige Abfahrt wurde noch nichtsahnend passiert, an der entsprechenden Unterführung waren sogar noch Schilder, die geradeaus nach Havanna verwiesen, als plötzlich keine 100 m später der Asphalt in eine Wiese mündete. Mehrere verwahrloste Busse waren auf der Gegenspur geparkt, auf dem Mittelstreifen saßen zwei nicht-viel-tuende, auch Kubaner genannt, die uns mit dem selben verdutzten Blick anschauten, wie wir sie. Von etwa Tempo 80 km/h auf 0 dauerte es nur etwa 5 Schlaglöcher, dann um die parkenden Busse herum und schon war man wieder in die entgegensetzte Richtung unterwegs. Puh, das war schon irgendwie ein Schock!
Da unsere Straßenkarte dieses Gebiet nicht besonders gut auflöste, schließlich wollten wir es ja auf der verzeichneten Autobahn durchfahren, ging es erstmal der Nase nach und sie da, ruck zuck fanden wir uns auf dem östlichen Ring der Hauptstadt wieder, dem wir, wie geplant, ein Stück folgten, um dann auf die Küstenschnellstraße in Richtung Matanzas abzubiegen.

Der etwa 80 km lange Küstenabschnitt zwischen den beiden Städten sollte laut Reiseführer ein paar schöne Strände, die sogenannten Playas del Este, welche vor allen den Havannern als Hausstrände dienen, bereithalten. Da diese von der überraschend guten Straße nicht gut zu beurteilen waren, folgten einige Abstecher zur Wasserkannte. Dabei taten sich erneut wirklich interessante Relikte aus der Zeit unter der sowjetischen Oberhand auf. Kaum abgebogen eröffnete sich der Blick auf weite Rasenflächen, durchzogen mit einem Geflecht aus scheinbar nutzlosen Staßen, wie man es nur aus der Landerschließung für Eigenheimsiedlungen kennt. Kurz vor den Dünen waren riesige alte Hotelanlagen zu erkennen, die z.B. an das ein oder andere FDGB Heim an der Ostsee erinnerten. Auch bekam man schnell das Gefühl, sie hätten auch die Fenster aus Beton gießen wollen.
Gut, mag ja alles so sein, denn damals wurde nunmal so gebaut. Es muss ja nicht heißen, dass auch der Strand einer Zementrampe gleicht, was wir natürlich prüften. Der Geely übernahm nun wieder in seiner Paradedisziplin, nämlich Parken, und wir stampften durch den Sand bis zum Wasser. Auf den ersten Blick sah das doch recht gemütlich aus, guter Sand, türkises Wasser. Auch auf den zweiten Blick war alles in Ordnung, einzig der Müll befleckte das Bild etwas. Da nicht so recht in Badelaune, machten wir einen kurzen Spaziergang, fuhren dann aber weiter, da im Reiseführer für später von noch besseren, etwas weniger frequentierten Buchten die Rede war.

Vorweg, diese ominösen besseren Badegelegenheiten entpuppten sich als Fehlalarm. Vorgefunden haben wir jedoch noch eine ganze Reihe weiterer Überbleibsel aus den angesprochenen Zeiten. Hin und wieder waren in Richtung Meer Einfahrthäuschen, wie man sie aus Filmen der 60er und 70er Jahre als Tore zu gehobeneren Wohnvierteln kennt, zu entdecken. Später mündete ein weiterer Versuch, schöne Strände ausfindig zu machen, in einer Rundfahrt durch eine riesige, aber völlig verlassene und somit heruntergekommene Ferienbungalowanlage. Totenstille, Fensterläden klappten im Wind auf und zu, die Äste von urzeitlich anmutenden Bäumen wuchsen durch die kleinen Häuschen, Katzen huschten von links nach rechts. Es war wirlich unheimlich und erinnerte sofort an Szenen aus diversen Teenyhorrorschockern, in denen die verstrahlte Belegschaft eines zerstörten Atomkraftwerks einer Horder nichtsahnender Jugendlicher auf Mushrooms an die Wäsche will.

Matanzas

Im Laufe des Tages hat sich die Stadt Matanzas als heutiges Endziel herauskristallisiert. Nach den mehr oder weniger erfolgreichen Ausflügen ans Meer erreichten wir die industriell geprägte Stadt am späteren Nachmittag. Der heute bisher so nützliche Reiseführer bekam für die Suche nach einer Unterkunft eine letzte Chance sich zu rehabilitieren und nutzte diese. Er lobte zwei zentrumsnahe Hostals, die wir beide direkt ansteuerten und siehe da, das Zweite, tatsächlich hübsche Etablissement hatte ein großes Zimmer für uns frei. Wir luden die Sachen aus dem Wagen und machten uns frisch, danach wartete ein Stadtbummel auf uns.
Im Foyer des Hostals fiel uns eine kleine Kanadierin auf, genauer gesagt ihre Schenkel. Allerdings nicht etwa wegen deren Form, stach doch vor allem ihr strahlendes Sonnenbrandrot ins Auge. Bei einem kurzen und lustigen Plausch erfuhren wir, dass sie ein Teil des Landes mit dem Fahrrad bereist und einfach vergessen hat, sich heute morgen einzucremen. Sie musste selber herzlich drüber lachen, wenn auch mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht.

Matanzas selbst mag vielleicht keine schicke Stadt sein, aber irgendwie war die allgemeine Stimmung unter den Leuten hier recht gut. Das steckte an und sorgte für einen gut gelaunten Stadtrundgang. Unweit vom Wasser führten alte Eisenbahngleise vorbei an zerfallenen Gebäuden über alte Stahlbrücken, die von Kindern als Sprungturmersatz am überschaubaren Hafenbecken genutzt wurden. Doreen und ich liefen gerade entlang der Gleise und ich wollte in dem Moment sagen, dass hier sicher keine Bahn mehr fährt, als nur ein kleines Stück hinter uns eine Diesellock mit drei angekoppelten Waggons an einem Bahnübergang hupte. Kaum schneller als Schritttempo fuhr sie unter grinsendem Winken eines der Lokführer an uns vorbei.
Generell fand man hier die typisch kubanischen Ecken, einige davon sahen sogar aus, wie gemalt. 😉 Ich machte gerade ein Foto eines Straßenzugs, als mich einer der hier wohnenden ansprach und fragte, ob er denn mal posen sollte. Ich meinte klar, wenn er möchte. Kurz darauf machte Doreen noch ein Bild von uns beiden, worauf er beschloss, dass wir nun Freunde sind und darauf trinken sollten. Er bot mir ein Bier an, dass ich dankend ablehnte, da Gebrautes nicht so meins sei. Daraufhin hielt er mir sein mittlerweile leeres Glas hin, verschwand kurz im Haus und kam mit einer Flasche Havana Club wieder. Er füllte das Glas zur Hälfte, danach kam einer seiner Freunde aus dem Haus und kippte noch einen winzigen Schluck Cola drauf, für die Farbe sozusagen. Wir stießen an und ich muss sagen, so auf nüchternen Magen … puh! Nach dem Getränk legte der lustige Geselle unter dem getrommel des Kumpels noch eine flinke Salsasohle auf die Fliesen seines Wohnzimmers. Anschließend bedankten wir uns alle und wünschten uns ein schönes Leben.

Langsam machte sich Hunger breit. Nur unweit vom Hostal sind wir schon zuvor an einem kleinen Nudelladen vorbeigelaufen, den wir nun einfach wieder heranzogen. Die drei Tische des Lokals wurden von einer wirklich niedlichen und äußerst netten jungen Dame bedient und auch das Essen schmeckte ganz gut. Im Anschluss ließen wir uns auch heute den abschließenden Mojito nicht nehmen und nahmen dazu vor einem der größeren Bars Platz. Wie ließen einen Tag Revue passieren, der viel Interessantes bereit hielt. Nicht alles davon schön, einiges aber zumindest selten.